Warum bin ich heute der Mensch, der ich bin? Was hat mich im Laufe meines Lebens geformt? Welche Erfahrungen und Umstände haben mich über die Jahre hinweg geprägt? Auch wenn man eigentlich nicht zu sehr in der Vergangenheit leben sollte (eigentlich sollte man das gar nicht…), frage ich mich doch öfter mal, wie gewisse Gegebenheiten anders hätten laufen können, damit bestimmte Dinge heute nicht so eine große Rolle in meinem Leben spielen würden. Es hilft kein Hätte, Wäre, Wenn, aber solche Gedankengänge lassen mich manches einfach besser verstehen. Mich zu reflektieren und mir bewusst werden zu lassen, was war und was ist, unterstützt mich ganz automatisch darin, mehr ins Reine mit mir zu kommen. Zu akzeptieren, dass man die Vergangenheit zwar nicht rückgängig machen, aber dennoch seinen Frieden damit schließen kann. Ganz ohne Schuldzuweisungen, denn das ist das Wichtige daran: Es bringt nichts, Umstände oder Menschen dafür verantwortlich zu machen, dass wir heute die Person sind, die wir sind. Ich brauche keine Entschuldigungen. Aber das Wissen und die Erkenntnis helfen mir schon sehr.
Immer mehr wird mir bewusst, wie wichtig und prägend doch die ersten Jahre und die Kindheit sind. Erlebnisse, Gewohnheiten, zwischenmenschliche Kontakte – all diese Dinge begleiten uns mehr oder weniger (un)bewusst auch noch im Erwachsenenalter. Indem ich reflektiere und auf Dinge stoße, die bei mir dazu geführt haben, dass ich heute schüchtern, introvertiert, viel zu perfektionistisch und gleichzeitig aber auch sehr emotional und aufbrausend bin, versuche ich mir bewusst zu werden, was ich anders machen sollte, um dieses Verhalten nicht an meine Kinder weiter zu geben. Wie ich sie, ohne alles perfekt zu machen, in Bahnen lenke, die ihnen jetzt und auch später viel mehr helfen, als dass sie sie belasten.
Aufwachsen ohne Druck, Bedingungen, Perfektionismus
Sie sollen unperfekt sein dürfen, Fehler machen, ohne das Gefühl zu haben, deswegen weniger wert zu sein oder sich schlecht fühlen zu müssen. Ich weiß, wie belastend es ist, sich und seine Leistung jedes Mal in Frage zu stellen. Nie zufrieden zu sein, mit dem, was man geschafft hat. Weil es meistens doch noch besser ginge. Ich möchte, dass meine Kinder in erster Linie Spaß an dem haben, was sie tun. Ich möchte sie fördern, aber nicht drängen, perfekt zu sein. Weil es eben immer etwas geben wird, was sie besser oder weniger gut können werden. Aber davon wird die Welt nicht untergehen.
Meine Kinder müssen mir nichts beweisen oder sich meine Liebe und Anerkennung erst verdienen. Denn das schlimmste ist es doch, das Gefühl zu haben, nur dann etwas wert zu sein, wenn man bestimmte Erwartungen und Aufforderungen sofort erfüllt. Emotionale Erpressung, Drohungen, Bestrafungen, Wenn-du-das-nicht-machst-passiert-dies-und-das… All das richtet mehr Schaden in einem Kind an, als das es irgendetwas Positives bewirkt. Man fühlt sich klein, unterdrückt, wertlos. Was das mit dem Selbstbewusstsein macht, sollte klar sein.
Viel mehr möchte ich meine Kinder ausprobieren lassen, sie mutig sein und die Welt entdecken lassen, ohne dass sie vor allem Angst haben müssen. Auch wenn es manchmal als Mama sicher schwer fällt, bringt es ihnen viel mehr, ihre eigenen Erfahrungen zu sammeln, als wenn ich ständig eingreife, sobald es etwas schwieriger werden könnte. Ich glaube, dass auch „Helikoptern“, egal, wie gut es von den erziehenden Personen gemeint sein kann, Kindern viel Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen raubt. Sie zu ermutigen, einfach mal zu machen, selbst auszuprobieren, Eigenständigkeit bereits in jungen Jahre zu entwickeln, lässt auch ihre Persönlichkeit wachsen. Denn sie sehen, was sie alles bereits alleine schaffen. Alleine beim Bäcker die Brezel bezahlen, die Kindergartenfreundin anrufen, wenn es möglich ist, vielleicht ja auch schon den kurzen Weg vom Kindergarten alleine nach Hause laufen – dem Kind das Gefühl dabei geben, dass es das schon ganz toll alleine schafft, bewirkt schon so viel. Ich hätte gerne als Kind mehr alleine gemacht und bin mir sicher, dass es meinem Selbstbewusstsein sehr gut getan hätte…
Kein Hätte-Wäre-Wenn, stattdessen aus Erfahrungen lernen
Bestimmten Situationen wäre ich vielleicht ganz anders begegnet, hätte ich nicht als kleines Mädchen schon so viel Angst gehabt. Vor Unbekanntem, davor, alleine etwas zu machen, auf andere Kinder zu zugehen und Kontakte zu knüpfen. Angst vor Zurückweisung und davor, ausgeschlossen zu werden. Nicht jedem zu gefallen. Dabei ist das doch eigentlich auch ganz normal. Nur der Perfektionismus, der so oft eine Rolle spielt, mag das eben gar nicht.
So vieles ist miteinander verknüpft, lässt sich im Nachhinein einfacher erklären, wenn man weiß, was wie wozu geführt hat. Ändern kann ich es nicht mehr. Auch niemandem übel nehmen. Ganz im Gegenteil. Meiner Mama, die immer schon meine engste Vertraute war und die von Anfang an mein Bestes wollte, bin ich dankbar, dass sie mir dennoch bestimmte Werte vermitteln konnte. Sie hat alles getan, damit es mir gut geht, so wie es eine Mama nur tun kann. Nur leider war es ihr nicht immer möglich, bestimmte Dinge zu beeinflussen. Es prägen eben nicht nur wir Mamas das Leben unserer Kinder, sondern auch andere Umgangs- und Bezugspersonen. Manche Situationen, egal ob beruflich oder familiär, lassen sich nicht sofort ändern. Und Kinder können ihre Gefühle eben auch nicht immer zuordnen oder deuten. Erst viel, viel später wird einem einiges bewusst. Vorwürfe, egal wem gegenüber, bringen jedenfalls nichts mehr. Ich weiß erst durch die Erfahrungen, die ich gesammelt und gemacht habe, was ich eben jetzt im Hinblick auf meine eigenen Kinder anders machen möchte.
Es bei den eigenen Kindern anders machen
Wenn ich meine Kinder beobachte, sehe ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Ich sehe, wie mutig und aufgeschlossen sie sind. Wie sie sich ausprobieren und Erfahrungen sammeln. Auf andere Kinder zugehen, sich nicht hinter mir verstecken. Auch in der Öffentlichkeit zeigen, wer sie sind und dabei auch mal laut werden. Warum sollte ich sie zügeln? Oder ihre Persönlichkeit ausbremsen, wenn sie nun mal so sind, wie sie sind? Kinder, die sich und ihre Welt entdecken und ausprobieren dürfen.
Sie sind jetzt schon so viel selbstbewusster, als ich es als Kind war. Und ich werde mein Bestes geben, damit aus ihnen zwei starke Persönlichkeiten werden, die ganz genau wissen, dass sie genau so richtig sind, wie sie sind. Ohne Zweifel, ohne Angst. Menschen, die Fehler machen dürfen, ohne daran zu verzweifeln. Die sensibel sind, aber sich nicht alles so sehr zu Herzen nehmen. Die einen Sinn für Schönes haben, dabei aber nicht perfekt sein wollen. Die mutig sind, an sich glauben und einfach ihr Ding machen, ohne sich von anderen beeinflussen zu lassen. Ich bin mir sicher, dass nicht nur sie, sondern auch ich auf diesem, ihrem Weg, noch sehr viel wachsen kann.
Seid auch ihr euch über bestimmte Dinge bewusst, die eure Kindheit und euer späteres Leben geprägt haben? Dinge, die ihr bei euren eigenen Kindern anders machen wollt? Es ist sicher nicht verkehrt, hin und wieder doch ein wenig durch die Vergangenheit zu gehen, um manches zu hinterfragen, damit sich Gewohnheiten und Muster nicht von Generation zu Generation übertragen. Die vielleicht unbewusst niemand böse gemeint hat, aber im Endeffekt doch dazu geführt haben, dass die Selbstentfaltung verhindert oder eingeschränkt wurde.
1 Comment
Wow…richtig interessant, schön und inspirierend!
Danke für eine Geschichte, die zum Nachdenken anregt und zeigt, dass es überall Hoffnung gibt! ☺️